Es gibt wichtigere Risikofaktoren!
Vor dem Hintergrund der Meldungen über das Darmkrebsrisiko durch den Verzehr von rotem Fleisch erklärt Vorstandsmitglied Dr. Ulrich Tappe vom Berufsverband der Magen-Darm-Ärzte: „Der Einfluss der Ernährung auf das absolute Darmkrebsrisiko ist von untergeordneter Bedeutung. Die wichtigste Maßnahme zur Vermeidung von Darmkrebs ist die Vorsorge.“
Die Wahrscheinlichkeit, im Laufe des Lebens an Darmkrebs zu erkranken, liegt in Deutschland bei rund sechs Prozent. Typ 2-Diabetes erhöht das durchschnittliche Risiko auf rund 30 Prozent, für Männer sogar auf über 50 Prozent. Der Einfluss des Rauchens hängt von Menge und Intensität ab und bringt eine Steigerung um 22 bis 120 Prozent. Die familiäre Belastung führt bei rund 15 Prozent aller Darmkarzinome zu einem hundertprozentigen Lebenszeitrisiko. Es gibt also zahlreiche Risikofaktoren, die erheblich relevanter sind als die Zufuhr von rotem Fleisch.“
Dass Ernährung bei der dritthäufigsten Tumorerkrankung in Deutschland eine Rolle spielt, ist seit langem bekannt. Schon seit Jahren wird eine ausgewogene Ernährung mit Ballaststoffen aus Getreideprodukten, Hülsenfrüchten und Gemüse empfohlen. Aber auch regelmäßige Bewegung und das Vermeiden von Übergewicht sind förderlich, ein Krebsrisiko zu mindern. Der Verzicht auf Alkohol- und Tabakkonsum wird seit Jahren nicht nur zur Risikoreduzierung des Darmkrebses propagiert. Weniger bekannt ist, dass Vitamin- oder Mineralstofftabletten als Nahrungsergänzungsmittel nicht anzuraten sind. „Im Rahmen einer vollwertigen Ernährung sollte auf Fleisch nicht verzichtet werden“, betont Dr. Tappe. „300 bis 600 Gramm Fleisch und Wurst pro Woche sind als notwendiger Lieferant von Mineralstoffen und Vitaminen (B1, B6 und B12) zu empfehlen.“
Die wichtigste Maßnahme zur Vermeidung von Darmkrebs ist die Vorsorge. Ab dem Alter von 50 Jahren kann eine Früherkennungsuntersuchung für Darmkrebs in Anspruch genommen werden. „Durch die konsequente Vorsorgeuntersuchung kann eine individuelle Reduktion des Darmkrebsrisikos um 80 Prozent erzielt werden. Für besondere Risikogruppen wie z.B. bei Darmkrebserkrankungen in der Familie, bei Diabetikern oder Patienten mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen sind diese Untersuchungen bereits früher zu empfehlen“, erklärt der Magen-Darm-Spezialist.
Hintergrund: Die International Agency for Research on Cancer (IARC), eine Agentur für Krebsforschung der Weltgesundheitsorganisation WHO, hat rotes Fleisch als hinreichend wahrscheinlich krebsfördernd eingestuft. (Lancet Oncol 2015 Published Online October 26, 2015). Dafür wurden über 800 Studien ausgewertet. Die Einteilung in rotes und weißes Fleisch erfolgt einfach durch die Färbung nach dem Erhitzen. Rote Fleischsorten sind z.B. Rind-, Kalb-, Schwein-, Schaff- und Lammfleisch. Bei dem täglichen Verzehr von 100 Gramm rotem Fleisch soll nach den Angaben zufolge das Darmkrebsrisiko um 17 Prozent steigen, bei Verzehr von 50 Gramm verarbeiteten, z.B. geräucherten oder gepökelten Fleisch um 18 Prozent.